2019/20: Totalausfall des Winters
Extrem milder, atlantisch geprägter und regenreichster Winter seit 25 Jahren Markante Sturmserie im Rekord-Februar
Witterungsbericht der Wetterstation Eiweiler Jörg Hoffmann
Der Winter 2019/20 war mit einem Temperaturmittel von 4,5°C im Vergleich zur gültigen Referenzperiode 1961-1990 um 3,3 K zu mild – gegenüber der Vergleichsperiode zur 30-jährigen Eiweiler-Norm war er um 2,8 K zu mild. Damit erlebten wir den zweitwärmsten Winter der Eiweiler Messreihe zusammen mit 2015/16 hinter dem Rekordhalter 2006/07, der einen Mittelwert von 4,9°C gebracht hatte. Auch deutschlandweit betrachtet war es der zweitwärmste Winter seit Beginn flächendeckender Aufzeichnungen im Jahr 1881!
Der Winter leistete sich quasi einen Totalausfall und erinnerte von den Temperaturen her eher an einen November oder März. Es wurde nicht kälter als minus 5,9°C und in allen drei Wintermonaten kam es zu markanten Warmluftvorstößen.
Nur 5 Winter- und 3 Eistage sprechen eine deutliche Sprache und bedeuten die zweitwenigsten Tage hinter dem Winter 2013/14.
Der Winter war extrem schneearm, es traten lediglich Ende Februar zwei Tage mit einer Schneedecke auf.
Verantwortlich für die anhaltende milde Witterung war ein stark ausgeprägter Polarwirbel mit dem Kältepol im Raum Kanada und Grönland, der den Tiefdruckmotor über dem Nordatlantik ständig anheizte und dadurch immer wieder Tiefs mit der Westströmung nach Europa gelenkt hat, so dass wir uns in einer kräftigen, extrem milden Südwestströmung befanden. Vor allem der Februar war von häufigen Stürmen geprägt, die an die Sturmserie vor genau 30 Jahren erinnerten.
Aufgrund der großen Dominanz der Westdrift fiel der Winter mit einer Niederschlagssumme von 358,1 Liter pro Quadratmeter, was einem Überschuss von 44 Prozent entspricht, sehr nass aus – es war sogar der regenreichste Winter in Eiweiler seit 25 Jahren.
Die Sonnenscheindauer verbuchte mit 155 Stunden eine leichtes Defizit von 16 Prozent.
Der Dezember war ein atlantisch geprägter und sehr nasser Monat mit einer Regenmenge von 134,6 mm. Vom Winter war nur ansatzweise zu Monatsanfang- und Ende mit Nachtfrost etwas zu spüren, ansonsten herrschte eher spätherbstliche Witterung. Mit 14,7°C wurde am 17. Dezember sogar ein neuer Rekord für den Dezember registriert.
Im Januar herrschte häufig eine von Hochdruck geprägte Südwestlage, zur Monatsmitte wurde es mit 13,8°C sehr mild. Das Niederschlags-Soll wurde nur zu 75 Prozent erreicht.
Der Februar war ein Rekord-Monat bei Temperaturmittel und Niederschlag, denn bei einem Mittelwert von 5,6°C war es der wärmste Februar der Messreihe bei einer positiven Abweichung von 4,0 K und der bisherige Rekordhalter 1990 mit 5,4°C wurde übertroffen. Es wurde nicht kälter als minus 2,5°C, was die höchsten Minima des Monats zusammen mit dem Februar 2014 bedeuten. Bei einer Niederschlagssumme von 162,1 mm wurde ein eindrucksvoller Rekord aufgestellt und es fiel damit 145 Prozent mehr Regen als üblich, was auch zu Hochwasser an Saar und Mosel geführt hat. Selten war der Februar so stürmisch wie diesmal, denn von den 25 windigen Tagen wurde an 7 Tagen stürmischer Wind (Beaufort 8) und an 5 Tagen Windstärke 9 bis 10 gemessen.
Aufgrund der viel zu milden Witterung war die Vegetation ihrer Zeit weit voraus, so dass die Frühblüher wie Hasel und Schneeglöckchen schon ab Anfang Januar mit der Blüte begannen. Im Februar blühten in Eiweiler bereits Narzissen und damit so früh wie nie zuvor. Das Gras war im gesamten Winter so saftig grün wie es selbst im letzten Sommer wegen der Dürre nicht gewesen war!
Das wirklich Positive an diesem aus der Art geschlagenen Winter war auf jeden Fall seine große Niederschlagsausbeute, die damit nach der Trockenheit aus dem letzten Sommer die klimatologische Wasserbilanz der Böden deutlich aufgebessert hat.
Zum Dezemberbeginn streiften uns die Ausläufer von Tief OLAF über der Biskaya und es war recht kalt bei Maxima von 1,3°C. Dann wanderte an den Folgetagen Hoch SARENA von den Britischen Inseln über Deutschland ostwärts hinweg und lenkte arktische Meeresluft heran. Zeitweise war es sonnig bei Maxima von 4 bis 6°C, wobei am 5. Dezember mäßiger Nachtfrost von -5,9°C für die niedrigste Temperatur des gesamten Winters gesorgt hat. Ab dem Morgen hüllte jedoch dichter Nebel die Landschaft ein, der sich den ganzen Tag hartnäckig hielt, so dass sich Dauerfrost bei Maxima von -1,3°C einstellte.
Am 6. Dezember stellte sich die Großwetterlage auf eine Westlage um, die bis Weihnachten Bestand hatte und nahezu täglich Niederschlag gebracht hat. Tief QUENTIN zog von Island zur Nordsee und es setzte Regen ein, das nachfolgende Tief RUDI hatte sehr milde Luft, Wind und Regen im Gepäck bei Temperaturen bis 9,1°C. Auf dessen Rückseite gelangte kurzzeitig kühlere Luft zu uns und das Zwischenhoch TATJANA wanderte rasch über die Alpen hinweg und bescherte einen trockenen Tag, ehe Tief SIRO mit Regen übergriff.
Mit Sturmtief TONI sank der Luftdruck am 13. Dezember auf 984 Hectopascal, in der Nacht fiel kurzzeitig Schneeregen, tagsüber fiel starker Regen mit einer Tagesmenge von 18,6 mm und es war windig.
Mit Passage des Höhentroges traten am 14. Dezember morgens Sturmböen auf. In der Folge zogen innerhalb der lebhaften Westströmung rasch die nächsten Tiefs WINFRIED und XANDER über Deutschland hinweg. Dabei lagen wir am 17. Dezember vorderseitig eines Troges über Westeuropa, der südwärts bis nach Marokko vorstieß und somit ungewöhnlich milde Luft aus Süden einströmte, die bei Maxima von 14,7°C trotz starker Bewölkung für einen neuen Dezember-Rekord der Eiweiler-Messreihe gesorgt hat.
Die Passage des Wellentiefs XANDER brachte am nächsten Tag Regen. Am 19. Dezember stellte sich zwischen dem Hoch URTE über Südosteuropa und Tiefs über Westeuropa eine kurze Wetterberuhigung ein, es war heiter bis leicht bewölkt und erneut sehr mild wie im Vorfrühling bei Maxima von 11,5°C.
Dann sorgten die neuen Tiefs ZELIO, AILTON und CEDRIC für eine Fortdauer der unbeständigen, regnerischen und milden Witterung. Zunächst kühlte es etwa ab, ehe an Heiligabend wieder sehr milde 9,6°C erreicht wurden.
Am zweiten Weihnachtstag kühlte es auf 3,7°C ab und Zwischenhoch VANESSA bescherte eine kurze Verschnaufpause vom Regen. Gleichzeitig baute sich über Skandinavien Hoch WILTRUD auf und die Strömung drehte auf Nordost.
Am 27. Dezember zog Randtief DIETMAR von der Nordsee nach Belgien und Nordfrankreich, wobei es uns mit Regen streifte.
Anschließend verlagerte sich Hoch WILTRUD nach Mitteleuropa und bescherte uns bis zum Jahresende trockenes und sonniges Hochdruckwetter bei Temperaturen zwischen 4 und 7°C bei leichtem Nachtfrost.
Zum Start ins neue Jahr löste Hoch XIA das alte Hoch ab, es sickerte jedoch feuchte Luft von der Nordsee ein und so war es neblig-trüb. Nachdem am 3. Januar die Kaltfront von Tief FABIO Deutschland überquert hat, verlagerte sich Hoch ALMAR von Frankreich nach Deutschland und brachte trockenes, aber neblig-trübes Wetter.
Ab 7. Januar stellte sich eine Südwestlage ein, die Tiefs AMREI, BIANCA, CLARA und DAMIRA führten zu Regen und Sprühregen bei sehr milder Luft. Zur Monatsmitte verstärkte sich die Südwestströmung, als zwischen einer Tiefdruckzone über Nordwesteuropa und dem Hochdruckgebiet CHRISTIAN über Südosteuropa sehr milde Luft subtropischen Ursprungs zu uns gepumpt wurde. Am 16. Januar war es mitten im Hochwinter extrem mild bei vorfrühlingshaften 13,8°C bei wolkenlosem Himmel.
Die Fronten von Nordmeertief HEIKE zogen am 17. und 18. Januar mit etwas Regen durch und es kühlte auf 4°C ab.
Ab 19. Januar stellte sich für eine Woche die längste Hochdruckperiode des ansonsten tiefdruckgeprägten Winters ein, als sich von den Britischen Inseln das kräftige Hoch EKART bemerkbar machte. Die Strömung drehte auf Nord bis Nordost und es wurde sonnig, teils auch wolkenlos bei Höchstwerten um 5°C und leichtem Nachtfrost – aufgrund der fehlenden Kälte über Nordosteuropa wurde es trotz Hochdrucklage aber nicht richtig kalt.
In der Folge bildete sich eine langgestreckte Hochdruckzone, die von den Azoren bis weit nach Osteuropa reichte, und es breiteten sich Nebel- und Hochnebelfelder aus – am 23. Januar trat dabei ein Eistag auf.
Am 27. Januar übernahm wieder die Westströmung die Regie, denn Tief KIM leitete mit kräftigem Regen den Wetterwechsel ein. Die Kaltfront von Nordseetief LOLITA überquerte uns am 28. Januar und die einfließende, labilen Höhenkaltluft sorgte für turbulentes Wetter mit Graupelgewittern, kräftigen Schauern und Sturmböen, die Temperaturen sanken auf 2,5°C.
Der Januar ging windig und regnerisch zu Ende, mit Maxima über 11°C wurde es wieder spürbar milder.
Der Februar startete mir ergiebigen Regenfällen durch die Passagen der Tiefs NAIMA, OTTILIA und OETRA. Im Warmsektor der Tiefs gelangten subtropische Luftmassen nach Deutschland, die Maxima stiegen am 2. Februar bis 12,7°C an.
Aufgrund der kräftigen Niederschläge kam es an Saar und Mosel zu Hochwasser, wobei auch die Saarbrücker Stadtautobahn wieder überflutet wurde.
Mit Durchzug des Wellentiefs PETRA am 4. Februar, das von der Biskaya ostwärts zog, kam es zu stürmischen Böen und kühlere Luft strömte ein, die am nächsten Tag unter Einfluss des von West- nach Mitteleuropa gezogenen Hochs FRANK geriet. Damit verbunden war eine kurzzeitige Blockierung der Westdrift und es kam bei wolkenlosem Himmel zu einer Wetterberuhigung für einige Tage. Tagsüber blieb es jedoch mild bei Maxima um 8°C und in den Nächten trat Frost bis -2,5°C auf.
Allerdings handelte es ich hierbei nur um die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm, denn über dem Nordatlantik braute sich ein riesiger Tiefdruckkomplex zusammen, der von Kanada bis zum Ural reichte. Damit verstärkte sich die Westwetterlage wieder und zwischen Island und Irland vertiefte sich Tief SABINE zu einem Orkanwirbel, der mit seinen Ausläufern Kurs auf Mitteleuropa nahm. Am 9. Februar erreichte die atlantische Frontalzone Mitteleuropa und im Bereich der Warmfront von Orkantief SABINE traten abends erste Sturmböen auf. In der Nacht und morgens überquerte uns die Kaltfront des Tiefs mit schweren Sturmböen, kurzzeitig traten auch orkanartige Böen im Saarland auf, wie in Saarbrücken mit 115 km/h. Verbunden war die Passage des Orkantiefs auch mit kräftigen Regenfällen, die in Eiweiler zu einer Tagesmenge von 27,2 mm geführt haben.
Auf der Rückseite des Tiefs blieb es bis zum 11. Februar noch stürmisch. Nach kurzer Abkühlung auf Werten um 5°C wurden zur Monatsmitte auf der Südostseite des nächsten Orkantiefs VICTORIA, das im Seegebiet zwischen Island und Irland lag, erneut sehr milde Luftmassen subtropischen Ursprungs zu uns gelenkt, so dass die Höchstwerte am 16. Februar bis 16°C anstiegen. Im Warmsektor des Tiefs lagen die Temperaturen selbst am späten Abend noch bei ungewöhnlich milden 13°C, ehe nachts die Kaltfront mit Regen und Sturmböen übergriff.
Bis zum 20. Februar zogen weitere Regengebiete durch, es blieb windig und die Temperaturen gingen auf 7 bis 8°C zurück.
In der lebhaften Westströmung konnte sich am 21. und 22. Februar Zwischenhoch GÜNTER von der Biskaya zu den Alpen verlagern und sorgte wenigstens für eine kurze Wetterberuhigung.
An der Südflanke von Tief XANTHIPPE entwickelte sich am 23. Februar an der Luftmassengrenze das Wellentief YULIA zu einem Sturmtief, das von der Biskaya zur Nordsee zog. Erneut frischte der Südwestwind stark auf und die Ausläufer des Tiefs zogen mit Regen und Sturmböen über das Land.
Auf gleicher Zugbahn wie sein Vorgänger wanderte am 24. und 25. Februar Sturmtief ZEHRA über die Britischen Inseln zur Nordsee. Zunächst war es wieder sehr mild bei 11°C, bevor die Kaltfrontpassage Windböen und starken Regen verursachte.
Am 26. Februar sorgte die Okklusion von Tief ANNELIE für ein nächtliches Wintergewitter mit Schnee- und Graupelschauern, so dass mit einem Zentimeter die erste Schneedecke des Winters in Eiweiler gemessen wurde.
Wellentief BIANCA wanderte am 27. Februar von Frankreich nach Deutschland und sorgte zum Ausklang des Winters doch noch für den ersten richtigen Wintereinbruch in weiten Teilen des Landes. Bei Temperaturen von 1°C fiel zunächst Regen, der gegen Mittag in heftiges Schneetreiben überging. Dabei bildete sich zeitweise eine einige Zentimeter hohe Schneedecke, doch dieser plötzliche Schnee-Spuk hielt nur ein paar Stunden an, denn bis zum Abend fiel Schneeregen und wieder Regen, so dass rasch Tauwetter einsetzte. Am nächsten Tag kam es zur kurzen Wetterberuhigung in diesem ereignisreichen Februar, ehe dann der meteorologische Winter mit weiteren Turbulenzen zu Ende ging.
Sturmtief CHARLOTTE sorgte auf ihrer Vorderseite zunächst für sehr milde 13,5°C und mit Passage ihrer Kaltfront gab es starke Regengüsse und schwere Sturmböen.
So wurde der Februar 2020 zu einem äußerst turbulentem Sturmmonat, mit einer bemerkenswert kräftigen Westströmung, der große Ähnlichkeiten mit dem Februar 1990 hatte, als damals die berüchtigten Jahrhundert-Stürme WIEBKE und VIVIAN ihr Unwesen im Saarland getrieben hatten.
Eiweiler, den 04. April 2020