Jahrhundert-Dezember 2015 bricht alle Rekorde
Extreme Mildheit mit frühlingshaften Temperaturen
Analyse eines beispiellosen Wintermonats
Von Jörg Hoffmann:
Der Dezember 2015 war Schlusspunkt eines weltweit wie auch in Deutschland klimatologisch außergewöhnlichen Jahres: Er war nicht nur der absolut wärmste Dezember in Deutschland seit Beginn flächendeckender Wetteraufzeichnungen im Jahre 1881, sondern auch der wärmste Wintermonat überhaupt.
Das Monatsmittel meiner Wetterstation Eiweiler erreichte mit 7,0°C eine sagenhafte Abweichung zur langjährigen Norm um 5,5°C und hat damit den bisherigen Dezember-Rekord meiner Messreihe von 4,6°C aus den Jahren 2000 und 2011 mit großem Abstand geradezu pulversiert. Einen derart enormen Wärmeüberschuss wie im Dezember hat es in keinem anderen Monat meiner Messreihe gegeben. Die bisherigen, extrem überwärmten Monate mit Abweichungen über 4°C, wie zum Beispiel August 2003, Juli 2006 und Januar 2007 wurden somit noch weit in den Schatten gestellt.
Durch die unaufhörliche Zufuhr von Kaltluftmassen aus dem nordkanadischen Raum auf den Nordatlantik hinaus, wurde fortwährend die Bildung von kräftigen Tiefdruckgebieten angefacht, die über den Atlantik nach Osten gen West- und Nordeuropa zogen und dabei auf ihrer Vorderseite eine anhaltende Südwestströmung in Gang gesetzt haben. Dadurch wurden für die Jahreszeit extrem milde, subtropische Luftmassen herangeschaufelt, die in nahezu ganz Europa für außergewöhnliche Wärme gesorgt haben.
Gleichzeitig hielt sich wochenlang eine starke Hochdruckzone durch ein weit nach Norden verschobenes Subtropenhoch, das sich von Südwesten über Süd- und Südosteuropa mit einem Keil bis weit nach Mitteleuropa erstreckte. Somit lag auch Deutschland unter für die Jahreszeit sehr hohen Luftdruck, wobei die Tiefausläufer über Westeuropa abgebremst wurden, und wenn überhaupt, bei uns nur schwach ausgeprägt waren.
Insofern fiel in Eiweiler mit einer Regensumme von 41,8 Liter pro Quadratmeter nur 40 Prozent des durchschnittlichen Niederschlagssolls, so dass wir den trockensten Dezember seit Beginn meiner Messreihe im Jahre 1989 erlebt haben.
Da die Tiefausläufer wegen der Blockade des Subtropenhochs über dem südlichen Mitteleuropa und Osteuropa nicht auf ihrer gewohnten Bahn nach Osten weiterziehen konnten, blieben sie vielmehr über den Britischen Inseln und Nordeuropa hängen, wodurch es vor allem in Schottland und Teilen Englands zu den schwersten Überflutungen seit Jahrzehnten gekommen war.
Diese eingefahrene Großwetterlage sorgte in ganz Europa für Wetterextreme, Trockenheit und Wärme auf der einen, und Rekordregen auf der anderen Seite.
Durch die fast frühlingshafte Witterung herrschte ein Klima im Dezember wie am Mittelmeer, es fühlte sich beinahe so an, als hätte sich unsere Klimazone nach Südfrankreich oder Norditalien verschoben.
Das völlig abnormale Temperaturmittel des Monats von 7,0°C glich eher einem warmen März oder einem kühlen April, hatte aber mit einem Wintermonat überhaupt nichts mehr zu tun.
Dieser Totalausfall des Winters zeigte sich besonders an den Frosttagen. Noch nie zuvor innerhalb meiner Messreihe gab es mit nur fünf Frosttagen in einem Dezember so selten Frost. Außerdem wurde es nicht kälter als minus 0,7°C – auch das ein neuer Rekord nicht nur für den Dezember, sondern auch für einen Wintermonat überhaupt!
Es versteht sich von selbst, dass Schnee ein Fremdwort war. Selbst auf allen Mittelgebirgen und in den Alpen herrschte in Deutschland, Österreich und der Schweiz akuter Schneemangel. Die Zugspitze auf fast 3000 Meter Höhe war der einzige Ort, an dem zu Weihnachten Schnee lag.
Zahlreiche Regionen und Orte in Deutschland wie zum Beispiel Köln, Aachen, Bremen oder Kiel blieben völlig frostfrei.
Die höchsten Temperaturen wurden in Emmendingen bei Freiburg mit 18°C gemessen.
Einmalig und geradezu phänomenal war die Zahl der Tage über 10°C, denn in Eiweiler traten an 16 Tagen derart extrem milde Temperaturen auf; in Aachen waren es sogar 27! In Freiburg wurde die 15 Gradmarke an 9 Tagen überschritten.
Bei den Höchstwerten wurde mit 13,6°C an meiner Wetterstation Eiweiler ein neuer Dezember-Rekord aufgestellt und wir erlebten im Saarland das mildeste Weihnachtsfest des letzten Vierteljahrhunderts!
Auch die Natur reagierte auf die anhaltende Zufuhr extrem milder Luftmassen, die man über einen so langen Zeitraum für unsere Region nur noch als beispiellos und phänomenal bezeichnen kann. So waren die Wiesen und Felder grüner als im trockenen Sommer und manche Sommerblumen blühten munter weiter – wie beispielsweise Ringelblumen in einem Bio-Weinberg an der saarländischen Obermosel in Perl (am Dreiländereck bei Schengen!) und zu Weihnachten blühten Löwenzahn und Schneeglöckchen, auch manche Frühlingsblüher steckten ihre Triebe aus der Erde.
Dieser komplett aus der Art geschlagene Dezember 2015 verdient aufgrund dieser „entarteten“ Witterung zu Recht das Prädikat „Jahrhundert-Dezember“, der alle Rekorde gebrochen hat.
Bleibt nur zu hoffen, dass die kommenden Monate Januar und Februar sich wieder an die eigentliche Jahreszeit halten und der Winter endlich eine Chance bekommt, ansonsten stünden wir in der Tat vor einem noch nie da gewesenen Rekord-Wärme-Winter!
Eiweiler, den 03. Januar 2016
Jörg Hoffmann
Wetterstation Eiweiler