Ein Winter, der eigentlich keiner war:

Dritter viel zu milder Winter in Folge
Der Winter 2015/16 war atlantisch geprägt, extrem frost- und schneearm

Das Saarland erlebte den dritten viel zu milden Winter in Folge, der seinem Namen auch diesmal so gut wie nicht gerecht worden ist. Mit einem Temperaturmittelwert von 4,5°C fiel er an meiner Wetterstation Eiweiler um 3,3°C wärmer als im Vergleich zur langjährigen Norm aus und zählt mit dieser extremen Abweichung zum zweitwärmsten Winter – hinter dem Rekordhalter 2006/07 – nicht nur meiner Messreihe, sondern auch seit es in Deutschland regelmäßige Wetteraufzeichnungen (1881) gibt!

Maßgeblichen Anteil daran hatte der völlig aus der Art geschlagene, frühlingshafte Rekord-Dezember, der mit einem Mittelwert von 7,0°C sogar einen enormen Wärmeüberschuss von 5,5°C aufwies.

Das einzige Lebenszeichen gab der Winter lediglich im Januar von sich, als er uns ein kurzes, einwöchiges Gastspiel mit Schnee und Dauerfrost beschert hat. Ansonsten leistete sich der Winter über weite Strecken quasi einen Totalausfall. Er war sehr schneearm, nur im Januar lag an 9 Tagen eine dünne Schneedecke bis zu 7 Zentimetern, was gerade einmal ein Drittel des Solls darstellt.

Außerdem zeichnete sich der Winter 2015/16 durch eine außergewöhnliche Frostarmut aus – mit lediglich 25 Frosttagen wurde sogar der bisherige Rekordwert von 26 Tagen aus dem wärmsten Winter aller Zeiten 2006/07 noch unterboten.
Mit einem Minimum von minus 12°C trat am 20. Januar während der einzigen Kältewelle wenigstens einmal strenger Frost in Eiweiler auf. Im Gegensatz dazu stieg das Thermometer an 23 Tagen über plus zehn Grad an, davon entfielen allein 16 Tage auf den Dezember. Das Maximum des Winters wurde am 19. Dezember mit 13,6°C gemessen, was gleichzeitig auch einem neuen Dezember-Rekord für Eiweiler entspricht.

Da der Winter durch feuchte Atlantikluftmassen geprägt war, wurde mit einer Niederschlagssumme von 281 Liter auf den Quadratmeter ein Überschuss von 12 Prozent aufgestellt. Auf einen rekord-trockenen Dezember folgten ein sehr nasser Januar und Februar, wobei die Westwetterlage vor allem im Februar auch Sturmtiefs nach Mitteleuropa brachte.

Die Sonne machte sich im trüben Januar und Februar ziemlich rar, während der Dezember mit deutlich mehr Sonnenschein als üblich überraschte. Unter dem Strich resultiert bei einer Sonnenscheindauer von 159 Stunden ein Defizit von 15 Prozent. Mit 8 Heiteren Tagen wurden 5 weniger als im Durchschnitt erzielt, wohingegen die Anzahl der Trüben Tagen mit 50 im langjährigen Soll lag.

Der Dezember war gekennzeichnet durch eine anhaltende Südwestströmung auf der Vorderseite von mächtigen Atlantiktiefs, die nur die Britischen Inseln und Nordeuropa beeinflussten, während Mitteleuropa unter einem weit nach Norden verschobenen Subtropenhoch begünstigt lag und damit meist trocken blieb. Dadurch wurden für die Jahreszeit extrem milde Luftmassen herangeführt, die schließlich mehr an einen Frühlingsmonat erinnerten als an den Winter. Es herrschte ein Klima, das eigentlich am Mittelmeer im Winter normal wäre. So kam es mit nur 5 Frosttagen zu einem Totalausfall des Winters. Über Weihnachten war es mit Temperaturen um 12°C  extrem mild und auch an den Tagen zwischen den Jahren vielfach sonnig und beinahe schon vorfrühlingshaft. Wie bereits im Vorjahr verglühte das Silvesterfeuerwerk in der Neujahrsnacht im dichten Nebel. Im ersten Januardrittel stellte sich eine kräftige Westströmung mit viel Regen ein. Die Tiefdruck-Herrschaften GERD und HELMUT, die noch im alten Jahr entstanden sind, waren dabei die Protagonisten auf der Wetterkarte, ehe danach die Tiefdruck-Damen BRITTA, CAROLINA und EMMA das Regiment übernahmen (2016 werden die Tiefs wieder mit weiblichen Namen benannt).

Ab Monatsmitte erfolgte mit Tief EMMA die Umstellung der Großwetterlage mit einem Kälte- und Wintereinbruch. Die beiden Hochs BENNO und CLAUDIUS bescherten eine kurze Ostlage mit mäßigem bis strengem Frost. Das trocken-kalte Winterwetter ging mit Glatteisregen durch Tief IRIS am 23. Januar schon wieder zu Ende. Ein Wetterumschwung verursachte eine rasante Milderung auf bis zu 13°C, zum Monatsende wurde es regnerisch und zunehmend windiger mit stürmischen Böen am 30. Januar.
Im Februar fand der Winter so gut wie nicht statt, stattdessen verlief der Monat sehr nass, stürmisch und mild.
Ausgerechnet an Rosenmontag und Fastnachtsdienstag sorgten die beiden Sturmtiefs RUZICA und SUSANNA für einige Turbulenzen, als wegen sintflutartiger Regenfälle und schwerer Sturmböen alle Fastnachtsumzüge im Land abgesagt werden mussten.
Innerhalb zwei Tage fielen in Eiweiler 51 Liter Regen pro Quadratmeter, was zu Überflutungen im Saarland geführt hat. Selbst der Köllerbach in Heusweiler stieg über die Ufer. Danach wechselten sich Regenphasen und trockene Abschnitte ab, die Temperaturen fuhren Achterbahn – mal war es mild, dann wieder kurzzeitig kälter, ohne dass es aber richtig winterlich wurde. Mit einer Regensumme von 131 Liter auf den Quadratmeter war es in Eiweiler sogar der nasseste Februar seit 2002 und insgesamt auch der regenreichste Monat seit Juli 2014. Damit wurde im Winter 2015/16 endlich das große Niederschlagsdefizit aus dem Dürrejahr 2015 nachhaltig abgebaut, aber natürlich noch keinesfalls vollständig kompensiert.

Aufgrund der extrem milden Witterung im Winter begann die Pollenflugsaison mit der außergewöhnlich frühen Blüte der Hasel bereits im Dezember und nach Weihnachten blühten sogar schon Schneeglöcken in unserem Garten. Damit hat mitten im meteorologischen Winter der Vorfrühling begonnen, denn der Beginn dieser phänologischen Phase markiert die Blüte der Hasel. Auf den ohnehin nahezu sommergrünen Wiesen blühten den ganzen Winter hindurch Gänseblümchen.

Ein brauchbares und anschauliches Maß für den Charakter eines Winters zeigt uns die Kältesumme, die sich aus der Addition aller negativen Tagesmittel der Temperatur (entspricht Wintertage) ergibt. Der diesjährige, meteorologische Winter (Dezember bis Februar) erreichte mit einer Kältesumme von -27,9°C zum dritten Mal in Folge ein extrem mildes Niveau – hinter dem Rekordwert von -0,6°C aus 2013/14 und -17,6°C bedeutet dies die dritthöchste Kältesumme seit Messbeginn 1989.  Erst ab einer Kältesumme von -75°C zählt ein Winter als normal, von -175°C bis -275°C als streng, darüber hinaus als sehr streng.
Der letzte strenge Winter gemäß dieser Definition trat übrigens in Eiweiler im Winter 2001/02 bei einer Kältesumme von -193,2°C auf.

WETTERSTATION EIWEILER
Eiweiler, den 15. März 2016
Jörg Hoffmann